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Jannis Kounellis

1.12.1991 – 29.2.1992

Zwölf leere Haken stecken, Kleiderhaken gleich, in der Rückwand der Synagoge. Die Abstände von Haken zu Haken sind so gewählt, dass die Schatten, die sie werfen, immer länger werden. Drei wuchtige, grob behauene Balken sind senkrecht in den Raum gestellt und bilden im Grundriss die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks. Die Balken scheinen die Decke und die Balustrade der Synagoge zu stützen. Zugleich sind drei schwere Felsblöcke, die an Kapitelle erinnern, mit Draht provisorisch oben auf den Balken befestigt.

Es findet eine Bewegung von oben nach unten und von unten nach oben statt: Die Decke und die Balustrade drücken auf die Balken, als bedürfe das erst kurz zuvor restaurierte Gebäude (und das, wofür es steht) dieser Unter-Stützung. Zugleich heben die Balken die Felsen nach oben, eine Kraft, die den Druck der Decke auf die Säulen formal auszugleichen scheint, so dass ein „schwerer“ Schwebezustand eintritt. Das Dreieck, das durch die Balken gebildet wird, ist sperrig in den Raum geschrieben, unterstützt die vorhandene Achsensymmetrie nicht, sondern verhakt sich aus der Symmetrie geschoben beinahe schmerzhaft darin.

Zwölf Kleiderhaken (zwölf Stämme Israels, zwölf Apostel), das Dreieck (Trinitatis, Teil des Davidsternes), die religiösen oder hierarchischen Kategorien des Oben und des Unten, das Schwere wie das Leichte, der Fels und der Balken (die Säule, das Kreuz) starten einen gravitätischen Reigen der politischen, religiösen Metaphorik. Die hier verwendeten Vertreter und Varianzen der Ikonographien zweier großer Weltreligionen heben sich gegenseitig auf, hinterfragen sich, bewerten bzw. schaffen sich wieder und wieder neu. Auf diese Weise entzieht sich trotz der symbolischen Aufladung der einzelnen Bestandteile die Installation insgesamt jeder konkreten, interpretatorischen Festlegung.

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Diashow (4 Bilder)

Jannis Kounellis, o.T., Foto Werner J. Hannappel

Jannis Kounellis, Installation für die Synagoge