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Mischa Kuball

refraction house

27.2. – 29.4.1994
wählten, hier ohne vordergründige Aktualisierung der entschiedene Schritt nach außen. Das immateriellste Medium, über das bildende Kunst verfügt, dient in diesem Fall dem Versuch, den wiederhergestellten, freilich säkularisierten jüdischen Kultraum, der, weil damals ungenutzt und zweckentfremdet, die Pogrome der Nazis überdauerte, in seine gebaute und belebte Umgebung einzubinden. Im gebrochenen Licht rückt das prosaische Ambiente in eine Perspektive, die es mit der Geschichte verknüpft, und zwar einer ortsspezifischen, die wie allenthalben mit dem Stigma des Versagens, Wegsehens und Verdrängens gezeichnet ist. So wendet sich bei Kuball die Kunst nicht zu sich selbst zurück, bleibt abstrakt und distanziert sich vom empirischen Leben. Statt subjektivistischer Selbstbespiegelung transzendiert sie vielmehr die Bedingungen ihrer historischen Möglichkeiten. In zeitlich begrenztem Rahmen weitet sie sich zwar ins Soziale aus, ohne indessen konkrete Vorgaben zu machen, besondere Tatbestände zu akzentuieren oder auch nur im Entferntesten eine Anklage erheben zu wollen. Bezeichnenderweise unterscheidet sich das hier gedruckte Konzept von refraction house von seiner ursprünglichen Fassung durch den Wegfall der moralischen Implikationen. Das Licht, so wie Kuball es in diesem Fall einsetzt, ist Bezeichnendes und Bezeichnetes zugleich. Es leuchtet nicht etwas aus oder an, sondern dient, ganz traditionell im Übrigen, als Metapher für Wahrheit.

»Wo Kunst«, so notierte Adorno in seiner Ästhetischen Theorie, »die gesellschaftlichen Zwänge reflektiert, in die sie eingespannt ist, und dadurch den Horizont von Versöhnung freilegt, ist sie Vergeistigung.« Darin, so meine ich, könnte das utopische Potenzial von refraction house liegen. Löst sich nämlich die Konzeption Kuballs in situ ein, wären eventuell Antworten auf Fragen möglich, ob und inwieweit ein der Bildlichkeit völlig beraubtes, ebenso helles wie unspezifisches Licht den von Adorno zitierten »Horizont von Versöhnung« in unserem Bewusstsein illuminieren kann, und sei es auch nur vorübergehend, beziehungsweise ob und wenn ja, inwieweit die Ästhetik des Immateriellen die ubiquitären Strategien des Vergessens zu unterlaufen vermag.

Armin Zweite

aus: Stadt Pulheim (Hg.), Mischa Kuball. refraction house, Ausstellungskatalog, Düsseldorf 1994.

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Diashow (7 Bilder)

Mischa Kuball, refraction house, Foto Hubertus Birkner

Mischa Kuball, refraction house