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Mischa Kuball

refraction house

27.2. – 29.4.1994
Gesteigert wird dieser Kontrast durch die abrupten Wechsel von innen und außen, von belebt und unbelebt, von spirituell und profan. Das alles vor dem Hintergrund, der das Gestern mit dem Heute verschwistert.

Vilém Flusser hat in seinem phänomenologischen Essay Wände auf einen indogermanischen Wortstamm (>h...I<) hingewiesen, dessen Bedeutung beide Extreme des sakralen Komplexes umfasse: Heil und Hölle, Helle und Höhle, whole und hole. Wände, so Flusser, würden uns vor die Wahl stellen, entweder aus ihnen herauszuschreiten, um die Welt zu erobern und sich dabei zu verlieren, oder in ihnen auszuharren, um sich selbst zu finden und so der Welt verlustig zu gehen. Für Flusser wird die Undurchsichtigkeit der Wände geradezu zur Bedingung des Menschen beziehungsweise zur Voraussetzung, unter denen das Religiöse überhaupt erst zur Entfaltung kommen könne. Auch wenn man nicht bis ins Detail zustimmen mag, Kuballs Eingriff, der sich vor allem nachts zur vollen Wirksamkeit steigert, macht deutlich, wie die gleichsam entstofflichten Wände aus Licht und Schatten die paradoxale Illusion nähren, als wären innen und außen vertauscht. refraction house nämlich macht seine Umgebung zur Bühne, auf der uns eine doppelte Identität zufällt: Als Passanten und angereiste Kunstliebhaber sind wir Akteure und Beobachter in einem. Wir stehen im Hellen und werfen Schatten, wir sehen und werden gesehen. Und mit zunehmender Dunkelheit trifft das Licht nun immer stärker auch die Anwohner, passive Mitakteure, ohne deren Bereitschaft, sich dem grellen Schein auszusetzen, das Projekt nur eine unverbindliche Idee geblieben wäre. Anders nämlich als in Dessau bricht die intensive Strahlung nicht in unbelebte Arbeitsräume, sondern teilweise in die Zimmer der Anwohner und macht deren private Sphäre zu einer halböffentlichen. Für einen begrenzten Zeitraum definiert Kuball auf diese Weise die soziale Situation in einem der Zentren Pulheims neu, schafft ein Spannungsfeld um das Denkmal, artikuliert den Widerspruch zwischen der Banalität des Alltags und der historischen Bedeutung dieses besonderen Ortes, zwingt indirekt Normalität und Schrecken zusammen, lässt unmittelbar Gewohntes in Lästiges übergehen, verschränkt aber auch, so will es

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Diashow (7 Bilder)

Mischa Kuball, refraction house, Foto Hubertus Birkner

Mischa Kuball, refraction house