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Santiago Sierra

245m3

12.3.2006
Ein Nachempfinden der Gefühle und Ängste der Opfer in den Vernichtungslagern – ein unangemessenes und auch unmögliches Bestreben – lag Sierra mit der Arbeit für die Synagoge Stommeln mit Sicherheit fern. Viel bedeutsamer war ihm die Tatsache, dass die simple Missachtung einer „Spielregel“, die Menschen für Menschen immer wieder aufstellen und schon immer aufgestellt haben, den Tod zu bringen in der Lage ist. (Hätte man sich während der Aktion die Atemschutzmaske im Inneren der Synagoge vom Kopf gerissen, wäre man zumindest potenziell Gefahr gelaufen zu ersticken.) Sierra wies an dieser Stelle darauf hin, dass man sich, wenn man die als tödlich inszenierte Gefahr auf sich nahm und den Innenraum der Synagoge tatsächlich betrat, damit einer fremden Organisation, in diesem Fall den Männern eines Sicherheitsdienstes, auslieferte. Das alles natürlich im Rahmen der „harmlosen“ aber zumindest in diesem Falle wenig verharmlosenden Spielregeln von Kunst. Verschiedene Inszenierungen also, um als Ausstellungsbesucher zu einer Art von existenziellen Erfahrungen zu gelangen: Isolation, Todesnähe, Kontrollverlust.

Erinnern sei sinnlos, wenn es nicht eine Wirkung in der Gegenwart und somit auch in der Zukunft fände, so Sierra, dem es wesentlich war, mit dieser Arbeit das geschichtliche Erinnern in einen direkten Bezug zu aktueller globaler Ungerechtigkeit, Doppelmoral und Ausbeutung zu setzen.

Für Sierra ist der Holocaust kein isoliert deutsches oder historisches Phänomen, sondern eines, das lediglich die Spitze einer geschichtlichen Entwicklung darstellt, die bis heute anhält. Sierra sieht die große Gefahr der Wiederholung solcher Schrecken in einer Reduktion des Holocaust auf ein geschichtlich abgeschlossenes Ereignis.

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Diashow (4 Bilder)

Dokumentation des Projekts von Santiago Sierra, Foto Sierra

Santiago Sierra, 245m³, Dokumentation