Chronologie | Künstler |

Sol LeWitt

Lost Voices

13.3. – 29.5.2005
Diejenigen, die diesen Ort einst religiös belebten, sind nicht mehr da und das, was sie in Stommeln als Bestandteil einer hier einmal lebendigen jüdischen Kultur vertraten, kann nur noch aus der Distanz im Rahmen von Erinnerungsfragmenten in der Gegenwart auftauchen. Heute ist die Synagoge ein Ort der Kunst; hier finden keine Gottesdienste mehr statt und doch beeinflusst die Geschichte dieses Hauses, der Genius Loci auf einer subtilen Ebene wie von selbst die Künstler und ihre Entscheidungen. Hört man den von Sol LeWitt ausgewählten Klängen zu, wird klar, dass es keine historischen Mitschnitte aus längst vergangenen Zeiten sind, sondern vielmehr aktuelle Aufnahmen jüdischer liturgischer Gesänge. Auch an dieser Stelle wird noch einmal bewusst, dass es nicht um eine historische Objektivierung oder gar romantische Reaktivierung vergangener Ereignisse in und um Stommeln geht. Was Sol LeWitt hier in seiner Raum–Klang Installation macht, ist keine Rekonstruktion, sondern vielmehr eine exemplarische De-Konstruktion von Geschichte und damit auch eine kritische Befragung der Art und Weise, wie wir uns vergangener Ereignisse zu erinnern pflegen. Es geht um die räumlich und akustisch vermittelbare Erfahrung eines Verlustes, um den Verweis auf etwas schlichtweg nicht mehr Vorhandenes und um die damit verbundenen Konsequenzen für die Gegenwart. Es wäre auch ein komplettes Missverständnis, hier einen Rekurs auf eine vermeintlich heile jüdische Welt vor dem Nationalsozialismus in Stommeln oder anderswo sehen zu wollen. Es geht in erster Linie um die Vergegenwärtigung einer Leerstelle, um etwas, das sich der unmittelbaren Erfahrung entzieht und letztlich auch um das kritische Ausloten künstlerischer Möglichkeiten und ernstzunehmender ästhetischer Erfahrungen in der Gegenwart. Die Mittel, die Sol LeWitt dafür wählt, sind im weitesten Sinne konzeptuell und minimalistisch. Er arbeitet mit dem vorgegebenen Raum, mit einem sehr reduzierten aber umso effektiveren skulpturalen Element (Mauer) und mit aus dem „Off“ eingespielten Klängen. Die Konzeption und die Realisation dieses Werkes sind voneinander zu unterscheiden.

zurück [ 1 | 2 | Seite 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | ]

Diashow (3 Bilder)

Synagoge Stommeln, Sol LeWitt, Installationsansicht, Foto Werner J. Hannappel

Sol LeWitt, Lost Voices